06.07.2025
Sorry Müntzer, da bin ich eher Lutheranerin
–Margot Käßmann predigt in Mühlhausen
Mühlhausen. In der sehr gut gefüllten Kirche Divi Blasii in Mühlhausen predigte Landesbischöfin a.D. Dr. Margot Käßmann am Sonntag im Rahmen der prominent besetzten Predigtreihe im Mühlhäuser Müntzerjahr unter dem Titel „Gottes Geist in mir“. Thomas Müntzer, Martin Luther, die Rolle des Heiligen Geistes und Jesu Friedensbotschaft waren ihr Thema – mit klaren Worten, persönlichen Gedanken und pointierten Zitaten.
Friedlicher Wandel statt Gewalt
In einem zentralen Punkt distanzierte sich Margot Käßmann deutlich von Müntzer – seiner Haltung zur Gewalt: „Erneuerung und Veränderung müssen friedlich erstritten werden.“ Jesu Gewaltfreiheit sei sein Markenzeichen: „Er erleidet selbst Gewalt, aber er greift nicht zum Schwert.“
Sie erinnerte an Jesu Worte: „Selig sind die Frieden stiften.“
All die Argumente für Waffen und Gegenwehr seien ja durchaus nachvollziehbar – bei Müntzer wegen des Unrechts, das die Bauern und ihre Familien erleiden mussten, heute beispielsweise in der Ukraine als Gegenwehr gegen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Am Ende ihrer Predigt zog sie jedoch ein klares Fazit: Wenn es um den Geist Jesu Christi gehe, dann gehe es nicht um Kampf, sondern um: „Verständigung, Versöhnung, ja sogar Feindesliebe.“
Wenn man dem nachspüre, was Jesus von Nazareth gelehrt habe, werde man in jedem Menschen zuerst ein Geschöpf Gottes sehen. Jesu vielzitierte Feindesliebe sei nicht mit der Liebe zu Partnern oder Kindern zu vergleichen, aber sie bedeute, den Feind nicht vernichten zu wollen. „Wer im Geist Jesu Christi sein Leben führt, für den ist nicht Abschreckung, Drohung, Bewaffnung das Ziel, sondern Aussöhnung, Friedenstiften, das Niederlegen der Waffen“, so die Landesbischöfin a.D.
Müntzers Kritik an der Amtskirche
Ausgangspunkt ihrer Predigt war das Prager Manifest Müntzers. Der darin spürbare Zorn sei auch heute noch nachvollziehbar, obwohl der Text „altersbedingt für uns heute umständlich ist“. Besonders Müntzers Kritik an der Amtskirche sorgte mit seinen deutlichen Worten teils für ein Schmunzeln in den Reihen: Die „verfluchten Pfaffen“ würden nur Bibelzitate aneinanderreihen, statt die Herzen der Menschen zu erreichen. Für Müntzer war die Bibel nur das „äußere Wort“, der wahre Glaube aber brauchte für ihn das „innere Wort“, das Angerührtsein durch den Heiligen Geist. Und dies könnten nur durch „auserwählte Freunde des Gotteswortes“ verkündigt werden. „Und siehe da, Müntzer zählte sich dazu“, erklärt sie.
Käßmann positionierte sich jedoch klar: „Sorry, Thomas Müntzer, da bin ich Lutheranerin, mir geht es bei allem Respekt vor Geisterfahrungen doch immer um die Autorität der Bibel und darum, dass jede und jeder in der Gemeinde selber denken darf und auch kann!“ Deshalb habe sich Luther für die Schulbildung eingesetzt.
Gott nachspüren
Doch Käßmann stellte auch fest, dass die protestantische Kirche oft zu kopflastig sei: „Da könnten wir mehr Müntzer wagen, unsere Kirche zu be-geisterten Orten machen, Glaube auch persönlich er-leben.“
Sie rief dazu auf, spirituelle Erfahrungen wie Singen, Meditation, Pilgern, Tanz oder den entspannten Blick aufs Meer zu nutzen, um Gott nachzuspüren. Stille und Abstand vom Weltgeschehen und den sozialen Medien würden heute professionell vermarktet. Dabei betonte sie: „Überall in eurer Nähe gibt es sonntags um 10 Uhr einen Gottesdienst, nutzt dieses Angebot.“ Gott nachzuspüren tue der Seele gut.
Geistkraft, Revolution und Veränderung
Käßmann kritisierte, dass in der evangelischen Lehre und Praxis der Heilige Geist oder die Heilige Geistkraft oft vernachlässigt werde: „Vielleicht waren sie den etablierten Kirchen immer etwas unheimlich? Denn sie haben wie Müntzer etwas Revolutionäres an sich, stellen Althergebrachtes in Frage und bringen Unruhe mit sich.“
Doch diese Unruhe sei notwendig, denn: „Die Kirche muss sich immer wieder verändern, sich fragen, wie sie heute für die Menschen da sein kann und den Glauben stärkt.“